Jobparadies Deutsche Post?
Der Arbeitstag von Silke Kynast beginnt um 7.00 Uhr. Silke Kynast ist Zustellerin bei der Deutschen Post AG in Berlin. Die 31-Jährige macht ihren Job gern. Seit mittlerweile neun Jahren ist sie beim ehemaligen Monopolisten beschäftigt. Langweilig ist es ihr in ihrer Zeit als Zustellerin noch nicht geworden. Sie arbeitet als Springerin und kennt daher eine ganze Menge Briefkästen in Berlin. Springer werden auf verschiedenen Touren eingesetzt und müssen deshalb flexibel sein.
Wenn Springerin Kynast morgens an ihrem Arbeitsplatz eintrifft, ist ein Teil der zuzustellenden Sendungen bereits vorsortiert. Maschinen und sogenannte Briefverteiler haben die Post bereits auf die entsprechende Tour abgestimmt. Sogar die Gangfolge des Zustellers wird bei der Vorsortierung automatisch berücksichtigt. Noch nicht erfasste Sendungen sortiert sich Zustellerin Kynast noch dazu.
Bei der Einteilung müssen die Zusteller auch Nachsendeanträge und Aufträge zur Postlagerung berücksichtigen. Auf solche Besonderheiten weisen farbige Karten hin, die in so genannten Verteilerschränken stecken. Die farbigen Karten verraten aber noch viel mehr. Die Postzusteller werden durch sie zum Beispiel auf bissige Hunde oder kratzende Katzen aufmerksam gemacht, vor denen man sich in Acht nehmen sollte. Für die gesamte Vorbereitung der eigentlichen Zustellung brauchen geübte Postler zwei bis drei Stunden, sagt Silke Kynast. Erst wenn alles zusammengepackt ist, beginnt die für die Kundschaft sichtbare Arbeit.
Mit 60 Kilo auf dem Rad unterwegs
Die Deutsche Post hat Städte und Gemeinden in Zustellbezirke unterteilt. Je nach Struktur des jeweiligen Bezirkes handelt es sich um Lauf-, Fahrrad- oder Pkw-Bezirke. Hiermit wird die Art der Zustellung umschrieben. Der Zustellbezirk von Silke Kynast ist ein Fahrradbezirk. Ihr Rad ist mit drei schweren Taschen voller Briefe beladen. Bis zu 20 Kilo wiegt eine solche Tasche, so dass Zusteller schon mal 60 Kilo Briefpost mit dem Rad transportieren. "Manchmal kommen aber noch einige Kilos dazu", sagt Silke Kynast. Was auf ihrem Fahrrad keinen Platz findet, wird in Postablagekästen deponiert. Diese befinden sich am Straßenrand irgendwo auf der jeweiligen Tour, so dass der Zusteller die sich leerenden Taschen unterwegs wieder auffüllen kann.
Da die Struktur und Größe der einzelnen Zustellbezirke so unterschiedlich sind, werden die Touren der Zusteller individuell zusammengestellt. Die Tour eines Zustellers, die vorwiegend mehrstöckige Mietshäuser umfasst, ist in der Regel kürzer, als eine Tour mit Einfamilienhäusern. Gleichwohl kann das Sendungsaufkommen in der Mietshaustour durch die größere Anzahl an Empfängern höher sein. Dieser Umstand macht eine individuelle Toureneinteilung notwendig.
Während bei den Einfamilienhäusern der Briefkasten in der Regel an der Grundstücksgrenze zu finden ist, müssen sich die Briefzusteller Zutritt zu den großen Mietshäusern verschaffen, um die Post zuzustellen. Dabei existieren nicht für alle Häuser Schlüssel. Wie die Deutsche Post mitteilt, ist die für den jeweiligen Zustellbezirk zuständige Einsatzstelle bemüht, Schlüssel von den Hausverwaltungen zu besorgen. Jedoch liegt der Zugang zum Haus mehr oder weniger in der Hand des Zustellers. Wenn sie bei ihrem täglichen Gang einen Hausmeister trifft, kann sie den schon darum bitten, einen Schlüssel für das Haus zu besorgen, so Silke Kynast. Eine generelle Regelung gibt es bei der Deutschen Post dazu jedoch nicht.
Schweißtreibende Zustellung
Die Zustellung selbst ist mal mehr, mal weniger schweißtreibend. Wenn die Tour des Zustellers überwiegend aus Laufhäusern besteht, ist eine gute Kondition gefragt. Als Laufhäuser werden mehrstöckige Mietshäuser bezeichnet, in denen die Briefkästen nicht alle unten im Eingangsbereich aufgehängt sind, sondern sich auf jeder Etage befinden. Post für Herrn Müller aus dem 5. Stock muss dann auch in den 5. Stock gebracht werden.
Auf die Fitness der Briefzusteller wird bei der Einstellung geachtet. Es gibt zwar keinen Leistungstest, jedoch müssen sich die Bewerber einer betriebsärztlichen Untersuchung unterziehen. Hierbei wird geprüft, ob die zukünftigen Zusteller körperlich leistungsfähig sind, so die Deutsche Post. Zustellerin Kynast lässt sich von der körperlichen Anstrengung des Jobs allerdings nicht schrecken. Trotz Radtour mit schwerem Gepäck und etlichen Läufen in oberste Stockwerke treibt sie nach Feierabend noch Sport. Sie schwimmt, geht ins Fitnessstudio und spielt Faustball. Das Schwimmen darf dabei eher als Entlastung zum Job angesehen werden. "Nach manchen Touren spürt man schon die Knie und vor allem die Schultern", merkt Silke Kynast an.
Neben den Taschen auf dem Rad tragen die Zusteller bei der Post noch eine weitere Tasche mit Briefen über der Schulter. Auch wenn es unbequem ist, muss diese Tasche sein, denn sensible Sendungen wie zum Beispiel Einschreiben dürfen nicht in den großen Taschen auf dem Fahrrad, sondern müssen immer am Körper transportiert werden.
Sobald alle Taschen leer sind und auch in den Postablagekästen keine Briefe mehr auf ihre Zustellung warten, ist der Arbeitstag von Silke Kynast zu Ende. Je nach dem wie schnell sie ist, hat sie mal früher, mal später Feierabend.
38,5 Stunden für knapp 2.000,- Euro
Insgesamt 38,5 Stunden beträgt die Arbeitszeit von ihr und ihren Kollegen bei der Deutschen Post. Wenn es mal länger dauert, habe sie die Wahl, ob die Überstunden vergütet oder abgebummelt werden, sagt Kynast. Für ihre Dienste zahlt ihr die Deutsche Post monatlich knapp 2.000,- Euro brutto. Hinzu kommen noch Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Prämien, alles zusammen noch mal rund 3.000 Euro im Jahr.
Die Diskussion um Arbeitsbedingungen insbesondere bei Postdiensten nimmt sie mittlerweile nicht mehr so richtig wahr, sagt Silke Kynast. Die Debatte interessiere die Leute einfach nicht mehr, meint sie. Es klingt nicht so, als wolle sie der Diskussion die Berechtigung absprechen. Aus dem Bekanntenkreis arbeitet auch jemand bei einem anderen Postdienstleister und von daher seien ihr die Arbeitsbedingungen dort nicht fremd. Jedoch gäbe es auch immer wieder Beschwerden von Kunden über die Arbeitsweise von Zustellern.
Die Vorwürfe sind nicht unbekannt. Oft sind es im Hausflur achtlos abgelegte Sendungen und nicht zugestellte Einschreiben, die den Unmut der Leute über die Briefzusteller, egal von welchem Anbieter, erregen. Wenn so was öfter vorkomme, müsse man sich nicht wundern, wenn die Leute die Diskussion um Arbeitsbedingungen nicht mehr interessieren würde, sagt die Post-Mitarbeiterin Kynast. Sie persönlich habe mit Kunden überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Einmal hat eine ältere Damen für sie sogar Mittagessen gekocht, sagt Silke Kynast lächelnd.