Mit dem Reziprozitätsprinzip, wonach in liberalisierte Märkte nur gehen darf, wer selbst aus einem liberalisierten Markt kommt, soll es Anbietern aus nicht liberalisierten Märkten erschwert werden, beim Nachbarn zu wildern. Halten Sie das für einen tragfähigen Kompromiss?
Elmar Müller: Das Reziprozitätsprinzip hat in einem gemeinsamen Markt nichts zu suchen. Es darf daran erinnert werden dass die DPAG Stand heute in 220 Ländern der Erde tätig ist. Das wäre ihr nicht gelungen, wenn weltweit diese wettbewerbsbehindernde Maßnahme zur Anwendung kommen würde. Strategien der Marktabschottung treffen vor allem den Verbraucher. Der deutsche Paketmarkt, in dem es kein Monopol gibt, ist der beste Beweis für eine qualitätsvolle und preisgünstige Versorgung bis in den letzten Winkel unseres Landes.
Werden auf die Postkunden auch neue Produkte und Dienstleistungen zukommen oder wird der Wettbewerb ausschließlich über den Portopreis geführt werden?
Elmar Müller: Vertriebsleute der Postdienstleister, die Kunden für ihr Unternehmen akquirieren, berichten immer von der ersten Frage: Was sparen wir mit Ihnen? Sehr schnell stellt sich heraus, dass die Qualität und Zuverlässigkeit in diesem Bereich viel wichtiger ist. Steigende Löhne bei den Postdienstleistern sind der Tatsache geschuldet, dass man eben auch Mitarbeiter ordentlich bezahlen muss, wenn man verlangt, dass sie am frühen Morgen um sechs Uhr aufstehen und ihrer Dienstpflicht nachkommen sollen. Es sind schon eine ganze Reihe von Unternehmen wieder vom Markt verschwunden weil sie gemerkt haben, dass dies keine Branche ist, in der man ohne solide Kenntnisse den schnellen Euro machen kann.
Zu den neuen Dienstleistungen habe ich eingangs schon einiges sagen können. Nachtragen möchte ich noch den wichtigen Bereich der Adresskorrekturen, die vor allem den gewerblichen Absendern viel unnötiges Porto ersparen können. Wir haben errechnet, dass ein Brief, der zurück gesandt wird, insgesamt einen Aufwand von ca. acht Euro bedeutet. In Deutschland ändern sich innerhalb eines Jahres sage und schreibe 10 % aller Anschriften. Hier steckt viel Sparpotential dahinter wenn man rechtzeitig von der Änderung informiert wird.
Wie sieht es eigentlich mit der Diskussion um die Mehrwertsteuerfrage aus? Ist schon klar, ob die Produkte der Deutschen Post dann mehrwertsteuerpflichtig oder ob etwa alle Briefdienste von der Mehrwertsteuer befreit werden?
Elmar Müller: Eines ist klar, fällt das Monopol, fällt auch das Mehrwertsteuerprivileg. Die derzeit diskutierte Lösung heißt, dass alle Sendungen unter 1.000 Gramm für alle Postdienstleister von der Mehrwertsteuer befreit sind und darüber hinaus der verringerte Mehrwertsteuersatz von 7 % gelten soll. Das Bundesfinanzministerium hat eine endgültige Lösung noch nicht gefunden.
Zum Schluss: Mit welchem Anbieter verschicken Sie eigentlich ihre Briefe?
Elmar Müller: Privat klebe ich mangels Alternative noch für einige Zeit schöne Briefmarken mit der Aufschrift Deutschland. Im Verbandsleben suchen wir schon jetzt bei größeren Versandaktionen den Dienstleister aus der uns die effizienteste Leistung bietet.
Das Gespräch führte Eike Böttcher