Der für Steuern zuständige EU-Kommissar Laszlo Kovács hat gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Mehrwertsteuerbefreiung der Deutschen Post eingeleitet. Die EU-Kommission sieht in der Mehrwertsteuerbefreiung einen wettbewerbswidrigen Vorteil gegenüber anderen Anbietern, die auf ihre Produkte Mehrwertsteuer von derzeit 16 Prozent zu zahlen haben. Nach Ansicht der Kommission sei die Befreiung von der Mehrwertsteuer nur in Bereichen erlaubt, in denen die Post gemeinwohlorientierte Pflichten habe und universale Postdienste anbieten müsse. Dies sei beim Briefdienst in abgelegenen Regionen der Fall. Bei den meisten anderen Angeboten stehe die Post jedoch im Wettbewerb mit anderen Anbietern.
Bereits im Jahre 2003 hatte die EU-Kommission erwogen, die Postdienstleistungen generell der Mehrwertsteuerpflicht zu unterziehen. Bis heute ist dieses Vorhaben jedoch am Widerstand von Großbritannien und Irland gescheitert. Gegen Großbritannien, das ebenfalls keine Mehrwertsteuer auf die Dienstleistungen der ehemaligen Staatspost erhebt, hat die EU-Kommission ebenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Die Wettbewerber der Deutschen Post begrüßen das Vorgehen der Kommission in der Mehrwertsteuerfrage. "Wir gehen davon aus, dass uns die Gleichbehandlung einen mächtigen Schub geben wird", sagte eine Sprecherin des Briefdienstleisters PIN Group gegenüber dem Handelsblatt. Die Post rechnet dagegen nicht mit einer Stärkung der Wettbewerber bei einem etwaigen Ende der Steuerfreiheit. Laut einem Postsprecher werde man auch durch ein Ende der Steuerfreiheit kein riesiges Geschäft an die Wettbewerber abgeben.
Das Vertragsverletzungsverfahren wurde unter anderem durch eine Beschwerde des Bundesverbandes Kurier-Express-Postdienste (KEP) initiiert. Für den Vorsitzenden des Verbandes, Rudolf Pfeiffer, wäre das Ende der Mehrwertsteuerbefreiung "der Durchbruch für den freien Wettbewerb".