So schön können Brieffreundschaften sein 

Ein Blatt Papier, ein Stift und ganz tief Abtauchen in die Welt der Emotionen. Ohne hektisches Bildschirmflimmern und elektronisches Piepsen. Die Kraft des Schreibens erfasst wieder viele junge Menschen auf der ganzen Welt. Gemeinsam feiern sie die Renaissance der Brieffreundschaften.

"Zum Teil schrieb ich mich mit 10 englischen Mädchen und die Briefe waren immer parfümiert, also ganz toll", sagt Wolfgang Rosig aus Bitterfeld. Damals, noch zu Zeiten der DDR, war dies seine kleine Flucht in die weite Welt. Heute ist Rosig 67 Jahre alt und seit 2012 stolzer Besitzer einer Webseite, die zum klassischen Briefeschreiben einlädt und zum weltweit größten Club für Brieffreunde (IPF) gehört.

Der Club, International Pen Friends, hat mehr als 100.000 aktive Mitglieder aus 192 Ländern. Seit 1967 hat IPF bereits über drei Millionen Brieffreundschaften auf fünf Kontinenten vermittelt, mit dem Ziel, Menschen jeden Alters die Möglichkeit zu geben, Kontakte zu knüpfen. 

Wer das Briefeschreiben erfunden hat, bleibt strittig – mögen es die Babylonier mit ihren Tontafeln gewesen sein oder vielleicht doch die alten Ägypter mit ihren Papyrus-Rollen, die eine ähnliche Funktion wie unser heutiges Papier hatten.

Egal, rein sachlich betrachtet, redet man von einem Briefwechsel, sobald sich zwei Personen eine Serie von Briefen schreiben. Wird dieser persönlich und intensiv geführt, können jahrelange Freundschaften entstehen.

Der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe hatte sehr viele dieser Freundschaften – sehr oft zu jungen Damen. Auch Augusta Louise Gräfin zu Stolberg-Stolberg, eine leidenschaftliche Briefeschreiberin, zählte dazu. Gerade 22jährig schrieb sie: "…der Erfinder des Brief schreibens, denke ich oft, muß ein guter Mann gewesen seyn, Menschenliebend…"

Wer heute 45jährig gedanklich in seine Schulzeit zurückreist, wird sich daran erinnern, wie es 1980 war, als die Lehrer noch ihre Schüler zum internationalen Austausch animierten. Sie gaben ihren 10jährigen Schützlingen Briefkontakte an die Hand, um ihr kürzlich erlerntes Englisch oder Französisch zu verbessern. Darauf folgten dann meist gegenseitige Einladungen nach Hause und bei manchem blieb es ein Kontakt fürs ganze Leben. 

Posttip wollte wissen, warum Briefe schreiben in Zeiten von schnelllebiger Elektro-Post wie E-Mail, WhatsApp oder Skype so ungebrochen im Trend liegt.

Das Ergebnis: Elektronische Möglichkeiten führen zum Klassiker. So melden sich bei Wolfgang Rosig immer mehr Schulklassen an. Er weiß: "Ein Hemmnis ist, das viele Brieffreunde nicht ihre Adressen frei geben und deshalb lieber per E-Mail schreiben möchten. Wobei ich immer denke mit E-Mail kann mehr Unfug gemacht werden. Da man zum Beispiel an der Schrift nicht erkennen kann wie alt diese Person ist."

Sobald man sich aber besser kennengelernt hat, tauscht man auch Adressen aus und schreibt sich. So auch bei Facebook. Dort gibt es eine geschlossene Gruppe mit 3.000 Mitgliedern, die sich "Brieffreunde" nennt. Wer mitmachen darf, entscheidet einer der Administratoren. Innerhalb der Gruppe können interessierte Schreiber ihre Freunde suchen, indem sie eine Anzeige schalten – so wie bei einer klassischen Zeitungsanzeige. Wer allerdings gegen die Regeln der Gruppe verstößt, wird rausgeworfen.

Ein weiteres Internetportal heißt "Brieffreunde.org". Im Vordergrund steht das weltweite Kennenlernen per virtuellem Briefkasten. Mehr als 346.000 Briefe von rund 26.700 Brieffreunden aus 191 Ländern gingen hier ausschließlich in elektronischer Form zum Empfänger. Der Benutzer meldet sich mit einem ausgewählten Benutzernamen sowie Passwort an und kann anschließend seinen Brieffreund suchen oder eine Anzeige schalten.

Vielleicht überlegt es sich die Deutsche Post ja noch mal und macht den Trend wieder mit. Ihr Portal "Letternet" war mit 500.000 Mitgliedern aus mehr als 160 Ländern eines der erfolgreichsten Vermittlungen von Brieffreundschaften und ging 2014 aus Kostengründen vom Netz.

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